Anfragen und Anträge

Verwaltungshandeln in Bautzen hinterfragen!

Anfrage in Sachen Rechtsaufsicht Stadt Bautzen

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach §112 SächsGemO fungiert das Landratsamt als Rechtsaufsicht für kreisangehörige Gemeinden und Städte. Meine Anfrage bezieht sich daher auf die Gesetzmäßigkeitskontrolle insbesondere auf die Beachtung der gesetzlichen Verfahrensvorschriften durch die Stadtverwaltung Bautzen bei einer Verwaltungsumstrukturierung ab 01.07.2020.

Hintergrund dafür sind Anliegen, die an mich als Kreisrat des Vertrauens herangetragen wurden mit der Bitte um Prüfung. Es geht um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens der Umstrukturierung im Dezernat des Oberbürgermeisters in Verbindung mit der Besetzung einer neu geschaffenen Amtsleiterstelle (höchste Dienststellung im Angestelltenverhältnis). Einschlägige Anfragen gab es dazu auch in der Stadtratssitzung vom 17.06.2020 aus verschiedenen Fraktionen. Der Oberbürgermeister antwortete am 18.06.2020 allen Stadträten darauf schriftlich. Daraus das folgende Zitat: „Dieser Entscheidung ging ein langer Prozeß mit intensiver Prüfung und Beratung mit den Mitarbeitern voraus, der bereits seit mehreren Jahren angedacht ist.“

Nach meinen Recherchen in der Angelegenheit stellt sich die Sachlage wie folgt dar:

Bis 30.06.2020 bestanden folgende Stabsstellen und Ämter im Dezernat der OB:

  • 01 Referent des OB (Stabsstelle)
  • 03 Amt für Pressearbeit und Stadtmarketing (Amt)
  • 04 Kulturbüro (Stabsstelle)
  • 80 Wirtschaftsförderung (Amt)
  • Grundlage dafür war der Geschäftsverteilungsplan der Stadtverwaltung Bautzen vom 01.07.2017

Ab 01.07.2020 erfolgte die Zusammenführung in einem Amt mit Abteilungen und Sachgebieten im Dezernat des OB:

  • 13    Amt für Wirtschaft, Kultur und Öffentlichkeitsarbeit (Amt)
  • 13.1 Abteilung Wirtschaftsförderung und Tourismus
  • 13.2 Sachgebiet Kultur
  • 13.3 Abteilung Pressearbeit und Stadtmarketing
  • Grundlage dafür bildet ein Schreiben des OB vom 01.07.2020 an die Mitarbeiter mit nachgereichten Festlegungen)

Im Sinne eines ordentlichen Verwaltungshandelns wären für mich die Schritte der Umsetzung/Zuständigkeiten einer solchen tiefgreifenden Umstrukturierung folgende:

  1. Diskussion und Entscheidung auf Leitungsebenen mit Innerem Service (Hauptamt)
  2. Diskussion und Entscheidung im Hauptausschuß1) / Innerer Service (Hauptamt)
  3. Änderung Geschäftsverteilungsplan / Innerer Service (Hauptamt)
  4. Änderung Aufgabengliederungsplan / Innerer Service (Hauptamt)
  5. Arbeitsplatzbeschreibung (APB) Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)
  6. Eingruppierung APB Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)
  7. Mitbestimmung Eingruppierung APB durch Personalrat2) / Innerer Service (Hauptamt)
  8. Stellenausschreibung Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)
  9. Bewerbergespräche und Entscheidung, ggf. Stadtratsinformation / Innerer Service (Hauptamt)
  10. Mitbestimmung bei Einstellungen oder Versetzungen durch Personalrat3) / Innerer Service (Hauptamt)
  11. Diskussion und Entscheidung im Hauptausschuß4) über Einstellung Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)
  12. ggf. Diskussion und Entscheidung im Stadtrat5) über Einstellung Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)
  13. Einstellung Amtsleiter (neu) / Innerer Service (Hauptamt)

Anmerkungen

1) Zuständige Entscheidung im Hauptausschuß nach Hauptsatzung über:
Angelegenheiten der allg. Verwaltung, § 6 (1) 1.
Vorberatung Stellenplan, § 6 (1) 2.a
Kulturelle Angelegenheiten, § 6 (1) 4.
Vorberatung von Entscheidungen über Verwaltungsangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, § 6 (1) 8.
Wirtschaftsförderung, § 6 (1) 10.

2)Mitbestimmung des Personalrates bei Eingruppierungen von Arbeitnehmern, § 75 Abs. 1 BPersVG

3)Mitbestimmung des Personalrates bei Einstellung und Versetzung von Arbeitnehmern, § 75 Abs. 1 BPersVG

4)Zuständige Entscheidung im Hauptausschuß nach Hauptsatzung über:
Einstellung von Beschäftigten der Entgeltgruppen EG 10 und 11, § 6 (1) 2. b)

5)Zuständige Entscheidung im Stadtrat nach Hauptsatzung über:
Einstellung von Beschäftigten der Entgeltgruppen ab EG 12, § 3 (2) B 2.

Im Gegensatz zum ordentlichen Verwaltungshandeln sah die Steuerung und Umsetzungen der Umstrukturierung im Dezernat des OB aber so aus, dass die Punkte 2. bis 12. schlicht umgangen wurden oder die Umsetzung durch freiwilligen Verzicht auf Wahrnehmung von Zuständigkeiten und Kompetenzen seitens Rechtsamt, Innerer Service (Hauptamt), Personalrat, Hauptausschuß und Stadtrat erfolgte. Zudem scheinen mir weitere rechtliche Grundsätzlichkeiten außer Acht gelassen:

  1. Art. 33 Abs. 2 GG garantiert Chancengleichheit bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für den Zugang zu öffentlichen Ämter. Daraus resultiert eine Ausschreibungspflicht (vgl. OVG Sachsen, Beschluß vom 11.04.2001, Az 3 Bs 83/01)
  2. Wenn zur Besetzung freier Stellen deren Ausschreibung in einer Dienststelle regelmäßige Praxis ist, ergibt sich die Pflicht zur Ausschreibung aus der gängigen Praxis. (vergl. BVerwG, Beschluß vom 14.01.2010, Az. 6 P 10/09)
  3. Eine Ausschreibungspflicht leitet sich auch aus Vorschriften der Frauenförderung und des Diskriminierungsschutzes zwingend ab (vergl. § 2 SächsFFG–Sächsisches Frauenförderungsgesetz und § 1 AGG-Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)
  4. Der Betriebsrat hätte verlangen können, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung auch innerhalb der Verwaltung ausgeschrieben werden (vergl. § 93 BetrVG).

Aus meinen vorstehenden Darlegungen stellt sich mir und anderen die Frage, ob das Handeln des Oberbürgermeisters der Stadt Bautzen im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung in der Stadtverwaltung den gültigen Rechtsnormen entsprach. Falls das Landratsamt sich als nicht zuständig betrachten sollte, bitte ich darum, dass die Angelegenheit bei der Landesdirektion vorgetragen und von dort beantwortet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Schulze

Kreisrat, AfD-Fraktion

06.10.2020

Hier die verstörende Antwort des Landrates. Das Land Sachsen übergibt offenbar staatliche Aufgaben, wie die Rechtsaufsicht über Gemeinden und Städte, an die Landratsämter. Diese Aufgabenübertragung entzieht sich aber nach der Antwort des Landrates der parlamentarischen Kontrolle durch den Kreistag. Ob überhaupt und wie die Rechtsaufsicht der Landratsämter ausgeübt wird, unterliegt damit keiner sichtbaren Kontrolle, zumindest nicht im regionalen Bereich. Wem unterliegt dann die Kontrolle? Wer erfährt was getrieben, getan oder unterlassen wird. Die verstörende Antwort gebiert unerhörte Fragen.